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5 Impulse zur Trainingsgestaltung

Wie man mit seinem Pferd seine Zeit verbringt ist eine ganz persönliche Entscheidung. Wichtig ist jedoch: sobald wir die Verantwortung für ein Lebewesen übernehmen, müssen wir uns bestmöglich um sein Wohlergehen kümmern. Neben Fütterung, Haltungsbedingungen und weiteren Fragen, die es rund um das Pferd zu klären gibt, gehört hierzu auch die Frage nach dem “Training”.

Sobald man mehr machen möchte, als das Pferd nur auf einer Koppel anzusehen, müssen wir uns damit beschäftigen was wir tun können, um es für seine Aufgaben zu befähigen. Zusätzlich sollte das Zusammensein mit dem Pferd auch für beide Seiten den Alltag bereichern.

Ganz egal, was wir mit unseren Pferden erreichen wollen, oder wie wir Zeit mit ihnen verbringen wollen – wir müssen ihnen die Möglichkeit geben, unsere Erwartungen erfüllen zu können (Bildquelle).

#1 Haltung

Die Haltung spielt eine maßgebliche Rolle bei der Trainingsplanung und ist für mich die Basis aller Überlegungen wie das Training und der Umgang mit dem Pferd grundsätzlich gestaltet werden sollte.

Ich glaube, dass die Haltung eines Pferdes im optimalen Fall so gestaltet sein müsste, dass wir ein Pferd nicht bewegen müssen, sondern uns nur auf das Training mit ihm konzentrieren können. Ich würde mir die optimale Haltung also so vorstellen, dass ich nie für Bewegung sorgen muss, sondern dass dieses Grundbedürfnis schon durch die Art der Pferdehaltung komplett erfüllt ist. Dies macht mich dann als Ausbilderin in der Trainingsgestaltung extrem flexibel. Dadurch kann ich mich beispielsweise an einem Tag nur auf Konzentration und Denkarbeit mit meinem Pferd fokussieren, ohne das Grundbedürfnis der Bewegung dieser Art der Arbeit zu opfern. An einem anderen Tag, an dem ich abends nur schnell nach einem stressigen Tag im Stall vorbei schaue, kann ich nur ein Leckerli füttern und ein bisschen schmusen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, dass das Pferd sich nun 24h die Beine in den Bauch gestanden hat.

So viel Bewegung wie diese halbwilden Pferde auf Sardinien haben unsere Hauspferde selten. Dennoch ist es gut, sich immer wieder klar zu machen, wofür Pferde gemacht sind: laufen, fressen, laufen und fressen!
In einer Box sollte ein Pferd nur wenig Zeit in seinem Leben verbringen (Bildquelle: Wikimedia commons).

Das schwierige ist natürlich diese Art der Haltung im echten Leben umzusetzen. Nicht jeder Stall hat unendlich viel Flächen zur Verfügung und in manchen Gebieten ist dies gar nicht zu bekommen. Und selbst die beste Haltung leidet ab und zu unter Wetterbedingungen und Jahreszeiten. Matschige Areale können einen eigentlich großzügigen Auslauf stark verkleinern, weil manche Pferde einfach nicht durch die Pampe gehen wollen, wenn es nicht unbedingt sein muss.

Ob man will oder nicht… fast jeder Pferdemensch kennt ein ähnliches Bild, zumindest ab und an.

Dazu kommt, dass unterschiedliche Pferdetypen und Altersstufen ganz unterschiedlich viel Bedürfnis nach Bewegung haben. Was für das eine Pferd ausreichend viel Platz ist, um mal “Dampf abzulassen”, ist für das zweite Pferd nicht annährend genug, weil es ein ganz anderes Temperament oder auch ein ganz anderes Bewegungsmuster hat. Und nicht zu vergessen – je nach Pferdetyp sorgt auch nicht jedes Individuum für ein ausreichendes Maß an Bewegung für sich selbst. Sobald Tränken und Fressplätze nicht mit Abstand und Laufwegen platziert werden, wird es nur wenige Pferde geben, die “freiwillig” ein paar km am Tag laufen wenn es nicht sein muss. Den meisten Menschen geht es wohl sehr ähnlich.

Wenn im Winter generell weniger Bewegung für das Pferd möglich ist, macht es Sinn, vorneweg länger im Schritt zu arbeiten. Dazu im Gegensatz steht der Sommer, wenn das Pferd beispielsweise 24h auf der Koppel steht und vielleicht noch 2km geführt werden musste, um überhaupt von der Sommerkoppel zum Stall zu gelangen.

Wenn wir den Alltag unserer Pferde besser verstehen, werden uns auch ihre Verhaltensweisen besser verständlich sein: die gespenstische Ecke in der Reithalle, das Festsein zu Beginn nach einem Handwechsel, oder auch das müde, triebige Pferd – alles hat einen Grund!

#2 Gesundheitszustand

Neben der Haltung bestimmt natürlich ganz genauso der Gesundheitszustand des Pferdes das Training. Befindet sich das Pferd in einer akuten Krankheitsphase ist sowieso alles anders und man ist eher pflegerisch tätig. Sobald man aber die tierärztliche Freigabe für etwas Bewegung hat, sollte man jedoch auch hier so strukturiert wie möglich vorgehen und mit viel Zeit und Gefühl “antrainieren”.

Es muss aber gar nicht gleich das Schlimmste angenommen werden, wie oben beschrieben. Bei älteren und/oder vorbelasteten Pferden ist es wichtig, immer den generellen und den aktuellen Gesundheitszustand zu berücksichtigen. Man sollte also in der Lage sein auf den tagesaktuellen Stand der Dinge zu reagieren und nicht einfach das durchziehen, was man sich vorgenommen hat. Wenn die Arthrose heute mehr zwickt als die Tage davor sind plötzliche Bewegungen und enge, schlecht ausgeführte Wendungen kein guter Plan. Ein schöner schwingender Schritt auf gerader und ebener Strecke ist da viel angenehmer und der Gesundheit zuträglicher. Vielleicht kann man ja nach diesem Warmlaufen dann doch noch zwei drei korrekte Zirkel im Schritt auf jeder Hand abfragen und konnte so doch noch ein bisschen die Tragkraft des Pferdes schulen.

Wir müssen uns auch bewusst machen, dass das Reiten immer mehr Belastung für das Pferd ist, als wenn wir es nicht reiten. Das klingt völlig banal, aber ich sehe im Alltag so viele Pferde, die ziemlich selbstverständlich weitergeritten werden, obwohl eigentlich kein zusätzliches Gewicht auf sie gehört. Man muss das Reiten ja nicht immer gänzlich einstellen, aber eine Pause bis zur Wiederherstellung einer besseren Gesundheit oder weniger häufiges Reiten wäre für viele Pferde schon eine große Hilfe.

Diesen Rücken sollte man nicht mit Reitergewicht belasten. Das schöne ist, dies ist kein Problem in unserer westlichen Wohlstandsgesellschaft! Wir haben den Luxus, dass ein Pferd nichts ausführen “muss” (Bildquelle).

Manchmal wird der Gesundheitszustand eines Pferdes auch so schleichend schlechter, dass man es zunächst nicht bemerkt und dem Pferd solange unrecht tut bis man bemerkt, dass etwas nicht stimmt. Daher ist es wichtig, auch bei einem eigentlich gesunden Pferd immer wieder die (unerwünschten) Verhaltensweisen zu hinterfragen. Vielleicht steckt eine neue Blockade dahinter, vielleicht ein Mangel an Nährstoffen oder ein Insektenstich.

Übrigens sollten auch wir Pferdeleute hin und wieder auf unseren eigenen Gesundheitszustand achten – auch dies kommt im Endeffekt dem Pferd zugute!

#3 Abwechslung

Ich höre sehr oft davon, dass ein Pferd Abwechslung im Training braucht, da es ihm sonst zu langweilig wird. Bemerkbar wäre dies daran, dass das Pferd zum Beispiel nicht mehr so gerne in die Reithalle geht oder generell unmotiviert bei der Arbeit ist.

Meiner Erfahrung nach brauchen eher wir Menschen die Abwechslung beim Training. Und wenn das Pferd spürt, dass es dem Menschen zu eintönig wird und die Motivation verloren geht, zieht das Pferd mit und will dann natürlich auch nicht mehr so gerne auf den Reitplatz. Wenn Frauchen schon das Gefühl von Zwang und Eintönigkeit hat oder die gymnastitzierende Arbeit grundsätzlich als Pflichterfüllung verspürt – was soll dann das Pferd davon halten?

Los, wir machen was zusammen! Pferd und Mensch sollten beide große Lust darauf haben, gemeinsam loszulegen.

Wenn man also als Mensch dieses Gefühl hat, sollte man tatsächlich für Abwechslung sorgen. Zwangloses Spielen, ein Geschicklichkeitsparcours oder Schmusen mit Ausritt kann hier Wunder bewirken. Wichtig ist es, den Druck rauszunehmen.

Manche Pferdeleute setzen sich wiederum ziemlich unter Druck, da sie unbedingt für Abwechslung sorgen wollen, um dem Pferd “etwas zu bieten”. Der Druck entsteht aus dem Gefühl, dass es dem Pferd ja langweilig sein muss, wenn man beispielsweise ständig “nur” in die Halle geht. So wird ein großes Programm aufgefahren, das abgearbeitet wird. Montag: zirzensische Lektionen, Dienstag: Spazieren, Mittwoch: Dressurarbeit auf dem Platz, usw. Auch dies kann großen Druck verursachen und ist Gift für eine harmonische und respektvolle Beziehung zum Pferd. Wenn man gestern schon “nur” spazieren war und heute eigentlich nur Schmusen will? Ist das nicht zu langweilig für das Pferd, und man muss heute was anderes bieten? Auch hier wird das Pferd letztendlich nur das spiegeln, was es vom Menschen als Signale bekommt. Wird die Abwechslung als Pflichtprogramm gesehen, wird diese ebenfalls nicht zur höheren Motivation beitragen.

Auch bei diesen Gedanken spielt die Haltung eine maßgebliche Rolle. Je artgerechter ein Pferd leben kann, desto unwichtiger wird “Abwechlsung”. Das Leben der wild lebenden Pferden zeichnet sich im besten Fall durch Beständigkeit und feste Rituale und Zyklen aus. Prädatoren machen das Leben zwar spannend, aber wer wünscht sich das schon!

Nehmen wir also den Druck raus! Ja, wir sind für das Wohlbefinden unserer Pferde verantwortlich, aber unser Wohlbefinden wirkt sich ebenfalls auf das Pferd auf, da wir eine enge Beziehung mit ihm haben und es ein sehr sensibles Lebewesen ist. Sorgen wir also dafür, dass wir das, was wir mit dem Pferd unternehmen, gerne machen.

Abwechslung im Trainingsschwerpunkt ist übrigens eine gute und für’s Pferd gesunde Sache – denken wir beispielsweise an Kardio vs Krafttraining! Darüber wird es bald einen weiteren Blogartikel geben.

#4 Ziel

Sich Ziele beim Training zu setzen ist sehr sinnvoll. Manchmal können sie ganz locker ins Auge gefasst werden, manchmal tut es gut, sogar einen festen Temin zu haben.

Diese Ziele dürfen alles sein. Sie können eine Lektion sein, die man sehr gerne mit seinem Pferd reiten will, oder auch einfach eine bessere Kommunikation oder einen fitten Rentner. Diese Ziele sollten für uns arbeiten, nicht wir für sie, denn das würde immer auf Kosten der Pferde gehen. Ich sage einen Satz ganz gerne zu meinen SchülerInnen: “Das Gute ist: wir müssen ja nicht nach Tokyo fliegen nächstes Jahr” (müsste ich jetzt eventuell mal zu Paris abändern – es ging um die olympischen Spiele).

Wenn wir uns ein Ziel setzen, können wir unseren Schwerpunkt der gesamten Arbeit mit dem Pferd dahin verlagern. Vielleicht setzen wir uns als Ziel, den Galopp zu verbessern (was das jeweils bedeutet, bestimmt das Individuum Pferd). Dann können wir auf vielen verschiedenen Ebenen daran anfangen zu arbeiten. Zum Beispiel: Im Gelände viel und lange Strecken galoppieren, oder die Tragkraft durch Seitengänge im Schritt schulen, oder durch Sitzschulung selber lernen, weniger das Pferd zu stören, den Blick durch Weiterbildungen schulen wie ein guter Galopp aussehen kann, und so weiter und so fort.

#5 Freude

Bei aller Planung und Struktur ist es wichtig, nicht die Freude an der Arbeit mit dem Pferd zu verlieren. Daher muss auch jede Person ihren eigenen Weg finden, um das Training und den Alltag für beide schön zu gestalten. Es ist sinnvoll und wichtig sich Unterstützung zu holen, jedoch ist man im Endeffekt für sein Pferd alleine verantwortlich.

Zeit schön verbringen! Mein 25-jähriger Noriker und ich beim Liebhaben.

Wichtig ist es meines Erachtens, den Druck rauszunehmen und sich dennoch Ziele zu setzen. Das schöne ist ja, dass wir uns Zeit nehmen können. Genauso viel Zeit wie es für das jeweilige Paar passt, ganz egal was das Pferd “eigentlich” können müsste. Schaut doch auch mal in diesen Artikel von mir, falls ihr ein schlechtes Gewissen wegen langer Trainingspausen habt.

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