Ich bekomme oft mit, dass Schülerinnen und Schüler Schwierigkeiten haben, ihr Training zu strukturieren. Manchmal geht es um eine einzelne Einheit, wie man diese am besten startet oder beendet, was man alles reinpackt oder wie oft man Dinge wiederholt. Oft geht es aber auch um das Training in seiner Gesamtheit, also über mehrere Wochen gesehen. Wie oft macht man gymnastizierende Bodenarbeit, wie oft reitet man, oder soll ich meinem Pferd noch viel mehr Abwechslung bieten?
Wie bei allen Antworten, die ein Individuum oder wie in diesem Fall sogar zwei mit einbeziehen, muss die Antwort heißen: “Kommt drauf an”. Und zwar auf unglaublich viele Dinge, wie den Gesundheitszustand, Trainingsbedingungen, Zeit die man zur Verfügung hat, Wetter, Haltung der Pferde… Die Liste ist endlos. Ein individueller Trainingsplan sollte daher immer auf das individuelle Mensch-Pferd-Paar und die jeweilige Situation abgestimmt sein.
Trotzdem kann man natürlich einige allgemeine Dinge berücksichtigen bei der Planung einer Einheit, einer oder mehrerer Wochen Training. Oft hilft nur schon der Gedanke an einen bestimmten Impuls, Schwerpunkt oder Ablauf, um klarer zu sehen.
#Kardio
Es gibt viele Gründe, den Schwerpunkt auf Ausdauertraining zu legen. Allgemeine Fitness, mehr Kondition, Gewichtsreduktion, gesundheitliche Gründe – das sind nur einige davon.
Erster Gedanke hierzu wäre: “Das Pferd in Atmung bringen”. Ziel ist also zunächst, dass das Pferd ein bisschen die Atemfrequenz erhöht. Anfangs müssen wir noch nicht so sehr an Intervalle, bestimmte Zeiten und Pausen denken.
An was wir aber immer denken müssen: Wir arbeiten immer mit dem Pferd und für das Pferd, und fordern nur so viel, wie das Pferd noch gut schaffen kann. Oberstes Gebot ist, dass das Pferd das Training immer in guter Erinnerung hat und das nächste Mal wieder freudig mit zum Platz oder der Halle kommt, weil es sich freut und weiß, dass niemals über seine Grenze hinweggearbeitet wird. Es muss wissen, dass es uns als Ausbilderin und Ausbilder komplett vertrauen kann. Natürlich darf es schwitzen und auch arbeiten, aber es sollte immer “leicht” sein. Verweigert das Pferd die Bewegung oder muss man viel treiben, ist dringend eine Pause einzulegen und Ursachenforschung zu betreiben.
Ein Beispiel aus der Praxis zum Starten: Wir traben mit dem ungeformten Pferd eine oder zwei ganze Bahnen. Je nach Konstitution und Typ kommen wir hier schon mal an eine erste Grenze. Wenn das Pferd nicht mehr leicht im Trab zu halten ist, machen wir eine kleine Pause im Stehen (oder Schritt), lassen es strecken und traben eine weitere ganze Bahn. Eine Pause von wenigen Sekunden reicht oftmals, vorausgesetzt, wir sind vorher nicht über die individuelle Grenze des Pferdes gegangen.
Wenn man mit dem ungeformten Pferd arbeitet, sollte man auf großen Linien bleiben, damit keine ungünstigen Kräfte auf die Gelenke wirken.
Diese Übung kann man natürlich auch sehr gut ins Gelände verlegen (für die meisten von uns kommt dann aus Konditionsgründen wohl nur die gerittene Version in Frage). Oftmals ist die Motivation der Pferde eine längere Strecke zu traben oder zu galoppieren hier viel höher.
Eine solche Kardio Komponente auf dem Reitplatz, die einige Minuten dauert, kann ein guter Start für eine Einheit sein, in der man noch anderes abfragen will, sie kann aber auch einen lockeren Schluss nach dem Krafttraining bilden. Oder man verlegt alles ins Gelände und konzentriert sich komplett auf die Ausdauerarbeit.
Eine letzte wichtige Anmerkung: So lange das Pferd sich noch nicht von alleine trägt, sollten wir immer daran denken, dass es geschickter ist, diese Art des Trainings vom Boden aus zu machen und eher selten vom Sattel aus. Wir würden das Pferd insgesamt ansonsten unnötig stark belasten.
#Konzentration
Für einige Lektionen und Aufgaben brauchen wir mehr Konzentration als für andere. Und wie immer zu beachten: jedes Pferd (und jeder Mensch) ist unterschiedlich. Für ein Pferd ist das Stehen alleine schon eine Konzentrationsübung, für das andere erst wenn man im Stehen Dinge abfragt oder beibringt. Es gilt also immer, das Pferd genau zu kennen und zu analysieren und seine Stärken und Schwächen zu achten.
Für viele Pferde kann also die Konzentrationsübung schon sein, ruhig neben seinem Menschen zu stehen. Ohne knabbern, anbuffen und zum Gras ziehen. Schwer genug! Übrigens auch für uns Menschen, denn wir dürfen dann auch nicht im Bereich des Pferdes “fummeln”, wenn wir von unserem Pferd verlangen, dass es uns nicht anknabbert.
Gerade für die Konzentration gilt, dass wir sie natürlich in allen Übungen mit dem Pferd anteilig brauchen. Wenn aber die Bewegung wegfällt oder nur wenig vorhanden ist, kann man schon sagen, dass die Konzentration in den Vordergrund gerückt wird. Daher wäre ein typisches Beispiel für eine Aufgabe mit dem Schwerpunkt “Konzentration” für mich auch die Arbeit im Stand und das Erklären von Hilfen.
Je nach Fähigkeit sich zu konzentrieren, kann diese “Konzentrationsarbeit” wenige Sekunden, Minuten oder auch länger dauern. Sehr langes konzentrieren am Stück ohne Lob, ohne Denkpause und Durchatmen dürfen wir nicht von unserem Pferd fordern.
Je nach Typ kann Konzentrationsarbeit auch bedeuten “bei uns mit der Aufmerksamkeit zu bleiben”. Das kann im Stehen oder auch im Schritt funktionieren. Meinem jungen Knabstrupper hilft es sehr, ein oder zwei Runden am langen Zügel auf dem Reitplatz auf der ganzen Bahn zu laufen. Für dieses Pferd ist dies eindeutig Konzentrationsarbeit. Für ein anderes Pferd, welches sich in der Rehaphase befindet, kann man dies eventuell auch in eine der anderen Kategorien einordnen.
Besonders wenn wir ganz gezielt an der Konzentrationsfähigkeit unseres Pferdes arbeiten, sollten wir sehr genau darauf achten, dass auch wir uns in diesen Momenten voll auf unser Pferd konzentrieren!
#Kraft
Wollen wir den Schwerpunkt mehr auf die Entwicklung der Kraft legen, sollten wir die Tragkraft und die Kraftübertragung von hinten nach vorne in den Fokus nehmen. Zum Beispiel die gymnastizierende Arbeit auf dem Zirkel mit geformtem Pferd und später auch die Seitengänge erfüllen diese Kriterien bei korrekter Ausführung.
Richtig gebogen und gestellt auf einer gleichmäßigen Zirkellinie laufen, fordert schon viel Kraft ein beim Pferd und ist an sich schon ein sehr effektives Training. Wenn man keine weiteren dressurmäßigen Ambitionen hat (und vielleicht “einfach nur” ins Gelände will), reicht meiner Erfahrung nach bei sehr vielen Pferden schon alleine eine solche Gymnastik aus, um gute Muskulatur dafür aufzubauen.
Wie bei allen anderen Übungen, sollten wir immer in Reprisen arbeiten. Wären wir im Fitnessstudio würden wir es “sets” nennen. Das Pferd braucht immer wieder Denk-, Schnauf-, Streck- und Lobepausen um fröhlich und motiviert mit uns zu arbeiten. Lieber einen korrekten Zirkel (schwer genug!) dann Pausieren, Atmen und Denken, und einen weiteren Zirkel dranhängen und auflösen, als Zirkel um Zirkel versuchen, es richtig hinzubekommen. Die Kraft geht schneller aus als man denkt und man arbeitet nur noch gegen das Pferd bis es nicht mehr anders kann als auf die Vorhand zu fallen.
Sehr lehrreich ist es hier, sich selber beim Training zu filmen. Hier kann man sehr schön mit Abstand analysieren und kann am Gangbild des Pferdes leicht feststellen ob und wann die Kraft ausging.
Struktur im Training
Die oben beschriebene Einteilung in die drei Schwerpunkte #Kardio #Konzentration und #Kraft kann uns helfen das Training sinnvoller zu strukturieren. Natürlich existiert kein Thema ohne das andere, aber die Schwerpunkte können unterschiedlich gelegt werden. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass – je erfahrener und weiter das Pferd und man selber in der Ausbildung ist – die drei genannten Themen mehr und mehr verschmelzen und gleichzeitig trainiert werden können. Auch kann für ein Pferd Konzentrationsarbeit sein, was für ein anderes eher Krafttraining ist usw.
So kann eine Einheit nur mehrheitlich eines oder alle drei Themen beinhalten, oder eine Trainingswoche wird unter die Überschrift von einem Thema wie z.B “Kardio” gestellt.
Praxisbeispiele
Vielen Menschen helfen ganz konkrete Praxisbeispiele weiter. Ich habe drei ganz alltägliche Trainingseinheiten herausgepickt. Sie sind von verschiedenen Pferden und dienen nur als Beispiele. Ich passe mich jederzeit an die Tagesform vom Pferd und von mir als Ausbilderin (oder auch die von meinen SchülerInnen) an, an die Gegebenheiten und eventuelle Einflüsse von außen.
Wir machen den Plan was wir trainieren wollen ja nicht um uns einzuengen in unseren Handlungen, sondern um eine bessere Idee von einer Struktur im Training zu haben. Die ganze Einheit ist ein Sondieren und Anpassen und ein flexibles Eingehen auf das Pferd. Wir müssen jederzeit bereit sein unseren Plan sinnvoll zu ändern.
So könnte man diese Methode auch andersherum anwenden: Man trainiert “normal” und versucht danach die Einheit in die drei Kategorien einzuteilen. So bekommt man eine gute Idee von der eigenen gelebten Struktur und kann besser abschätzen, was man noch in das Training mit aufnehmen könnte.
Viel Spaß damit!