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10 Antworten: Gymnastizierende Bodenarbeit

Ich habe Eure Fragen zur gymnastizierenden Bodenarbeit persönlich, über Instagram und über Email gesammelt und sie für Euch beantwortet.

#1 Was ist der Unterschied zwischen “gymnastizierender Bodenarbeit” und “Bodenarbeit”?

Unter dem Begriff Bodenarbeit verstehen die meisten Menschen eher “Horsemanship” im weiteren Sinne. Hierbei geht es erstmal um Kommunikation und Vertrauen.

Vertrauen und eine gute Kommunikation sind die Basis für all das was danach noch kommt. Ohne diesen Grundpfeiler ist eine harmonische Arbeit von der beide profitieren nicht möglich.

Unter dem Begriff der gymnastizierenden Bodenarbeit verstehe ich den nächsten Schritt. Um ein Pferd am Boden zu gymnastizieren, müssen einfach gewisse Dinge schon sitzen. Führen, stehen und loslaufen wären die Basics, die schon gut klappen sollten. Allerdings sind die Übergänge fließend. Man wird die Kommunikation natürlich immer feiner während der gymnastizierenden Arbeit ausbauen können und müssen. Man wird aber auch immer mal wieder – je nachdem wie die individuellen Themen des Pferd-Mensch-Paares sind – ganz an den vermeintlichen Anfang zurückgehen müssen.

Ein Beispiel aus der Praxis welches recht häufig auftaucht wäre: Dein Pferd hat ein Thema mit Abstand halten (meist wird das in der rückwärtsgeführten Position relevant). Eigentlich arbeitet man schon an gymnastizierenden Themen, aber immer mal wieder geht der Abstand verloren und das Pferd krabbelt einem auf den Arm. In diesem Fall macht es Sinn wieder temporär zur grundlegenden Bodenarbeit zurück zu kehren, um das Thema Abstand (für beide Seiten!) klarer auszuarbeiten. Die Ergebnisse nimmt man dann wieder in die Gymnastik.

#2 Was für eine Ausrüstung braucht man für die gymnastizierende Bodenarbeit? Ist ein Kappzaum zwingend notwendig? Mein Pferd mag ihn nicht!

Der Kappzaum und zumindest in den meisten Fällen der mittlere Ring, ist für mich die erste Wahl bei der gymnastizierenden Bodenarbeit. Wir haben direkten Einfluss auf den Schädel, der für die Formgebung der Startpunkt der Wirbelsäule ist. Durch den mittleren Ring ist die Einwirkung so seitenneutral wie möglich und man kann viele Fehlhaltungen wie Verwerfen eindämmen bzw. so wenig wie möglich aktiv fördern. Er ist aber kein Garant alles automatisch richtig zu machen, denn er ist nur ein Werkzeug und kann genauso missbraucht werden wie alle anderen Werkzeuge.

Es gibt sie aber tatsächlich, die Pferde die den Kappzaum nicht (mehr) mögen. Das schöne ist: man kann eine wunderschöne gymnastizierende Bodenarbeit mit Gebiss oder auch frei machen oder mit ganz anderen Werkzeugen machen. Der Weg muss eben nur individuell angepasst werden und die Lösung muss für Mensch und Pferd passen. Dann kann man weiter dem roten Faden der Ausbildungsschritte folgen, aber wählt andere Werkzeuge.

Der Kappzaum ist mein absoluter Favorit in der Pferdeausbildung, ist aber kein Muss.

#3 Ist die gymnastizierende Bodenarbeit für Rentner oder Reha Pferde überhaupt geeignet – mein Tierarzt/meine Tierärztin hat gesagt mein Pferd soll keine engen Wendungen gehen.

Diese Frage kann man nicht pauschal beantworten. Die Antwort muss für jedes Pferd individuell gefunden werden. Dazu kommen auch noch weitere Faktoren wie der Boden des Trainingsgeländes und die “Vorbildung” des Pferdes.

Den meisten Rentnern und Rehapatienten kann man mit gymnastizierender Bodenarbeit einen großen Gefallen tun, aber ganz sicher nicht allen. Was aber immer hilft ist Bewegung! Spaziergänge und soviel “Freigang” wie möglich tut jedem Rentner gut und sobald sie es dürfen auch den Rehapatienten.

Zu den engen Wendungen: Wenn man einfach nur eine enge Wendung geht, ist diese Anweisung in den allermeisten Fällen sehr ernst zu nehmen. Kann das Pferd eine Wendung korrekt gehen – nämlich mit tragendem inneren Hinterbein, rotierendem Brustkorb und freier äußerer Schulter und ohne stützendes inneres Vorderbein, haben wir eine ganz andere Qualität in der Wendung. Das muss man aber erstmal mit dem Pferd erarbeiten und als Mensch vor allem sehen lernen. Auch dann gilt es bei “Sorgenkindern” Wendungen gemäßigt einzusetzen und sie als Workout zu verstehen, dass je nach Tagesform und gesundheitszustand eingesetzt, angepasst oder eben auch mal weggelassen wird.

Mein Noriker mit 22 Jahren in der Rehaphase. Links war das Unterstützungsband gerissen, rechts entwickelte er eine hochgradige Belastungsrehe. Dadurch, dass sein Ausbildungsstand vor den Verletzungen sehr hoch war und er voll im Training stand, konnte ich ihn optimal – aber langsam und mit Bedacht – mit der gymnastizierenden Bodenarbeit wieder aufbauen und sogar wieder reitbar machen!
Midnight Lady (15), eine Isländer-Quarter-Mix Stute mit sehr vielen Baustellen auf dem Weg ihren eigenen Körper kennenzulernen – einen großen Anteil hat die gymnastizierende Bodenarbeit, die ihre Besitzerin regelmäßig mit ihr macht. Hier könnt Ihr mehr über die kleine Stute lesen.

Wenn ich auch Dich unterstützen soll, freue ich mich, wenn Du mich kontaktierst! Ich helfe dir vor Ort, habe aber auch ein umfangreiches 1:1 Mentoring, das Online funktioniert, wenn Du weiter weg bist, oder keinen Kurs organisieren kannst.

#4 Ist das überhaupt “richtiges” Arbeiten, es sieht gar nicht anstrengend aus und auch wenig spektakulär.

Je nach Vorbildung von Pferd und Mensch findet die gymnastizierende Bodenarbeit oft im Schritt statt (im gesamten Trainingsplan finden aber auch die höheren Gangarten ihren Platz). Das sieht für viele Zuschauer sehr eintönig und wenig fordernd für Mensch und Pferd aus. Meist nur bis sie es selber probiert haben!

Von uns Menschen wird bei dieser Arbeit eine sehr gute Koordination und ein präziser Blick und gute Reaktivität und sinnvolle Körpersprache gefordert. Das Pferd hingegen soll dazu noch mit unserer Hilfe den eigenen Körper so formen, dass es sich trägt. Dafür ist die gebogene Linie ein mächtiges Werkzeug. Um korrekt auf dem Zirkel zu laufen, müsste also theoretisch jeder Schritt sitzen. Inneres Hinterbein tritt unter, Brustkorb rotiert, Schultern werden leicht – die Kraftübertragung von hinten nach vorne funktioniert, der Rücken schwingt und die Bewegung geht durch das ganze Pferd. Das klingt nach Kraftanstrengung und das ist es auch. Es ist eine interessante Blickschulung darauf zu achten, wann einem Pferd die Kraft ausgeht. Meist ist das SEHR viel früher als man denkt. Und es ist definitiv bei den meisten Pferden bevor sie die Pause deutlicher einfordern in dem sie z.B. ausfallen.

Auch der Kopf der Pferde wird beansprucht. Wir wollen mit unserem Pferd arbeiten, es zum Verstehen bringen und sein Mitdenken fördern statt es einzudämmen. Das ist anstrengend und oft sieht man nach dem Training in den Augen des Pferdes, dass der Kopf raucht.

Gmynastizierende Bodenarbeit fordert den Kopf und den Körper!

#5 Ab wieviel Jahren kann ich mit meinem Jungpferd anfangen gymnastizierend zu arbeiten?

Dadurch, dass Basics (siehe #1) schon sitzen sollten, rückt der Zeitpunkt von alleine nach hinten, zumindest dann wenn man sein Pferd Pferdekind sein lässt. Die meisten Pferde (ganz besonders die Wallache) sind oft spätreif. Man sollte auch nicht vergessen, dass Konzentration und Fokus vonnöten ist – jedes Pferdekind ist anders, aber jedes gibt vor was geht und was noch zu früh ist.

Ich möchte kein konkretes Alter sagen, da wirklich jedes Pferd anders ist. Ein dreijähriges Pferd aber wirklich im gymnastizierenden Training zu haben empfinde ich als deutlich zu früh. Mein Knabstrupper konnte sich mit drei ca. drei Minuten konzentrieren – dann lieber andere Sachen machen, damit der Spaß für beide nicht verloren geht.

Auch gut geeignet für Pferdekinder: Als Handpferd mitlaufen und von den Großen abgucken.

#6 Ich habe Angst etwas falsch zu machen und meinem Pferd damit zu schaden

Wenn Du achtsam mit Deinem Pferd umgehst, Euch beiden Zeit lässt, Dein Handeln immer wieder reflektieren kannst und die Signale im Blick hast die Dir Dein Pferd gibt, sind die Chancen ihm mit dem Training zu schaden eher gering. Natürlich gibt es Fälle, die vielleicht mehr Erfahrung und Hintergrundwissen benötigen, weil das Pferd nicht ganz gesund ist oder schon älter. Dafür holt man sich dann kompetente Hilfe (TrainerIn/TherapeutIn) dazu und kann gemeinsam das Training individuell anpassen.

Irgendwas “falsch” wird man immer machen, denn so lernt man ja. Eigentlich lernen wir ja jeden Tag dazu. Wenn man aber handelt wie oben beschrieben, darf man schon auch ein bisschen ausprobieren! Wichtig ist aber das Pferd am nächsten Tag gut anzuschauen um einen Eindruck zu bekommen wie es ihm nach dem Training geht.

#7 Wie oft in der Woche sollte ich Bodenarbeit machen?

Das kommt ein bisschen darauf an, ob es Deine einzige wirklich direkt gymnastizierende Arbeit ist, oder ob Du es auch noch auf andere Arten schaffst die Tragkraft bei Deinem Pferd aufzubauen – also zum Bespiel unter dem Sattel.

Wenn Du außerhalb der gymnastizierenden Bodenarbeit gerne ausreitest, auf Trailparcoure gehst oder Zirkuslektionen machst oder es auch noch nicht schaffst Dein Pferd unter dem Sattel gut aufzubauen, dann wären 3-4x die Woche eine gute Sache.

Man sollte aber auch hier den Trainingsplan individuell auf jedes Pferd abstimmen.

Fortgeschrittene Rehaphase bei meinem Noriker (auf dem Bild 23 Jahre alt): Die Gymnastizierung ohne Reiterin hat viele Vorteile und ist im Prinzip viel einfacher als dieselben Resultate geritten zu erreichen.

#8 Mein Pferd hat gesundheitliche Probleme – kann ich die gymnastizierende Bodenarbeit darauf anpassen?

Man kann die gymnastizierende Bodenarbeit unglaublich gut an alle Gegebenheiten anpassen. Vom Pferd in Boxenruhe, dem man den inneren Schenkel im Stehen näherbringt, oder ihn zur Beschäftigung und Mobilisation abfragt bis zur Handarbeit in höheren Gangarten ist alles möglich.

Ich habe Patienten und Schülerpferde mit den verschiedensten Vorbelastungen wie Arthrose in den verschiedensten Gelenken, Spat, PSSM1 und PSSM2, ECVM, Headshaking, etc. etc. die alle von der gymnastizierenden Bodenarbeit profitieren. Wichtigste Vorgabe: Die jeweilige Limitierung des Pferdes immer als oberste Priorität haben und jeden Tag neu entscheiden was möglich ist. Dabei stehen die eigenen Bedürfnisse immer zurück!

Hierbei ist ganz wichtig, dass Euer Trainer oder Eure Trainerin auch einen geschulten Blick für Gangbilder, Biomechanik und Lahmheiten hat. Im besten Fall ist sie oder er auch TherapeutIn.

Noriker Tilly (25) würde höchstwahrscheinlich in Ihrem Alter und Ihrer Arthrose nicht so über den Platz fetzen, wenn es die gymnastizierende Bodenarbeit nicht gäbe! Seit ich sie und ihre Besitzerin betreue, gab es auch Phasen in denen wir aufgrund ihres Gangbildes ihr Bodenarbeitsprogramm sehr zurückschrauben mussten. Seit einigen Jahren ist dies aber nicht mehr nötig. Tilly wird ebenfalls osteopathisch von mir betreut.

Wenn du möchtest, dass ich auch Dich und Dein Pferd unterstütze, freue ich mich, wenn Du mich kontaktierst! Ich helfe dir vor Ort, habe aber auch ein umfangreiches 1:1 Mentoring, das Online funktioniert, wenn Du weiter weg bist, oder keinen Kurs organisieren kannst.

#9 Wie kann ich mit der Bodenarbeit gezielt die osteopathischen Behandlungen unterstützen?

Ziel einer osteopathischen Behandlung ist es, das Pferd zu mobilisieren, Blockaden zu lösen und die Selbstheilungskräfte zu aktivieren.

Wenn man es schafft diese Mobilisierungen und den entsprechenden Muskelaufbau auch in das Training einzubauen, kann man der Osteopathin oder dem Osteopathen super “zuarbeiten”. Gehen Behandlungen und Training Hand in Hand und sind aufeinander abgestimmt, geht es meist mit großen Schritten voran.

Hier wird nicht nur Stellung abgefragt, sondern die äußere Muskulatur gezielt gedehnt und das Genick mobilisiert. Liegt der Fokus nicht auf der Ausbildung/ dem Training, sondern geht eher in Richtung Mobilisation und therapeutische Anwendung, arbeite ich etwas anders. Immer angepasst an den jeweiligen Patienten.

#10 Mein Pferd mag die rückwärts geführte Führposition nicht oder ich kann aus gesundheitlichen Gründen nicht rückwärts laufen – was soll ich tun?

Nimm eine andere! Jede Führposition hat Vor- und Nachteile, aber keine ist ein Muss. Es soll immer zu Pferd und Mensch passen was wir machen! Insgesamt ist es immer von Vorteil wenn mehrere Führpositionen erlernt werden, so dass wir immer diejenige benutzen können, die in der jeweiligen Situation am besten funktioniert.

Meine langjährige Schülerin arbeitet hier ihren Norweger in einer seitlichen Position auf Distanz. Auch das ist eine schöne Möglichkeit sein Pferd vom Boden aus auszubilden.

Bei Fragen und Anregungen freue mich auf Deine Anfrage – schau doch auch mal mein 1:1 Mentoring Programm an, vielleicht ist das was für Dein Pferd und Dich. Es gibt eine unverbindliche Warteliste, bei der Du über den Startzeitpunkt und alle Inhalte direkt infomiert wirst. Es wird auch einen Rabatt nur für WartelistenteilnehmerInnen geben!

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