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Stolzer Blick und gespitzte Öhrchen – wie man Pferde motivieren kann

Ich höre öfters: “Mein Pferd hat keine Motivation auf dem Platz/bei der Bodenarbeit/beim Reiten in der Halle.” Und das ist der Grund warum ich diesen Blogbeitrag für Euch schreibe!

Das allerwichtigste zu Anfang: Alle Pferde sind Individuuen und mit einem einizigartigen Charakter ausgestattet. Es ist normal, dass ein Pferd mehr Spaß an der einen als an der anderen Sache hat und das ist auch ok so. Ich bin aber dennoch davon überzeugt, dass es gelingen kann jedes Pferd Lust an der Gymnastizierenden (Boden)arbeit finden zu lassen.

Ein kleiner Blick auf den Begriff “Motivation” – dieser wird in der Ethologie (Verhaltensforschung) zum Teil als Handlungsbereitschaft* bezeichnet. Motivation kann von innen heraus kommen (intrinsisch), weil die Handlung selbst Freude bereitet oder ein Bedürfnis befriedigt wird. Oder sie wird von äußeren Reizen (extrinsisch) bestimmt, weil die Belohnung die von außen kommt dazu anregt (z.B. Leckerli) oder auch um etwas negativem zu entgehen.

Ich glaube es wäre zuviel verlangt von jedem Pferd zu erwarten, dass es alles intrinsisch mit seinem Menschen absolviert. Wie oben schon erwähnt: Jedes Pferd ist anders! Ich persönlich finde es auch gar nicht schlimm, wenn Pferde etwas für ein Lob oder Leckerli tun. Dieses Vorgehen ist zum Beibringen von Dingen und Kommunizieren ja sowieso essentiell und später entwickelt sich daran auch oft die Freude an der Tätigkeit selbst.

Das sagen meine Pferde dazu: Mein Noriker Lord ist vom Sternzeichen Workaholic. Er hat immer Lust mitzumachen, je mehr Zuschauer desto besser und er ließ sich nie davon abhalten, was er als Kaltblut zu können hat und was nicht. Er ist bei bestimmten Lektionen sehr stark intrinsich motiviert, z.B. bei der Schulparade (auf dem Bild oben ist er 28 Jahre alt!). Reiten war für ihn die schönste gymnastische Beschäftigung, Bodenarbeit am Kappzaum stand für ihn von der Freude deutlich darunter. Heutzutage ist er mit 29 in “echter Rente” auf der Weide mit seiner Herde.

Gelände vs. Halle/Platz

“Mein Pferd ist im Gelände viel motivierter!” Sehr häufig wird fleißges Vorwärts gehen per se als Zeichen für eine hohe Motivation gesehen. Daher kommt das Gefühl, dass das Pferd im Gelände motivierter ist als auf dem Platz – denn im Gelände geht es vielleicht fleißig voran und auf dem Platz oder in der Halle ist es triebig und “faul”.

Schauen wir uns die Geländesituation mal genauer an: Viele Pferde sind draußen mit mehr Go ausgestattet, weil es aufregend ist, nicht weil sie generell motiviert sind 2h ausreiten zu gehen. Als Fluchttier muss das Pferd im Gelände viel mehr auf seine Umwelt aufpassen und schüttet Adrenalin und Noradrenalin aus. Es hat so schnell Energie verfügbar, wenn es diese braucht, falls es zu einem vermeintlich “gefährlichen” Moment kommt. Jeder kennt es: im Gelände gibt es mal schnell einen spektakulären Hopser zur Seite – dieser kann nur so schnell körperlich umgesetzt werden, weil das Pferd schon generell im Fluchtmodus ist und der Körper durch die ausgeschütteten Hormone bereit dazu ist. Bei dem einem Pferd ist das offensichtlicher als bei einem anderen. Dieser “Stress” ist nicht nur negativ zu verstehen und ein natürlicher Bestandteil des Lebens. Biologen sehen den Begriff “Stress” erstmal neutral und und unterscheiden dann zwischen Eustress (wirkt sich positiv aus) und Disstress (wirkt sich negativ aus). Ein vermehrtes Vorwärts alleine und mehr Energie im Gesamten, muss nichts mit Motivation für den Geländeritt zu tun haben.

Gut, könnte man jetzt sagen, mein Pferd ist die Ruhe selbst im Gelände, schreckt vor nichts zurück und es macht ihm trotzdem mehr Spaß im Wald als auf dem Platz! Wenn wir beide Situationen vergleichen, sind aber ja viel mehr Dinge unterschiedlich als nur der Ort.

Im Gelände geht es meist geradeaus (was gymnastisch eine ganz andere Nummer ist als der Reitplatz), meist gibt es weniger Ansprüche an das “wie” und es ist aus Sicht eines Pferdes auch viel natürlicher sich von A nach B zu bewegen, als ständig auf A herumzukringeln.

Vielleicht ist der Boden auch angenehmer als der tiefe Reitplatz, eventuell darf man draußen ab und zu naschen, vielleicht ist draußen immer die beste Pferdefreundin dabei. Eventuell ist der Reiter oder die Reiterin oben auf dem Rücken völlig anders wenn er im Gelände ist, als auf dem Platz – z.B. anspruchslos, gelassen und freudig, weniger klemmig. Geht man mal alles durch was sich in beiden Situationen unterscheidet wird man schon viel klarer sehen, warum es so große Unterschiede in der Motivation zwischen den beiden Orten gibt.

Ich habe jetzt bespielhaft das Gelände genommen, aber manchmal hat man dieses Gefühl ja auch beim Vergleich Gymnastik vs. Zirkuslektionen/Freiarbeit ect. Auch hier lohnt es sich die oben genannten Punkte und das generelle Setting mal genauer anzuschauen.

Schau Dir dazu auch diesen Artikel von mir an: Innere Checkliste für eine schöne (Trainings)Zeit mit Deinem Pferd.

Wie ändern wir das?

Wir sollten den Arbeitsplatz des Pferdes zu einem angenehmen Ort machen, den man mit Freude betritt. Das gilt übrigens auch für uns als Menschen. Wenn wir denken “oh nee, heute MUSS ich gymnastizierende Bodenarbeit auf dem Platz machen”, wird es schwierig für das Pferd dem anders entgegenzuschauen als wir es austrahlen. Pferde sind hochsoziale Tiere und extrem sensibel. Je tiefer Eure Bindung ist, deso mehr wird es Eure Stimmung auffangen, davon bin ich überzeugt. Wir sollten also auch an unserem Mindset arbeiten!

Abgesehen davon, soll der Ort für das Pferd positiv besetzt sein. Wenn man gestresst und angespannt ist, kann man nicht lernen. Wenn Du Deinem Pferd Dinge beibringen und erklären willst tue es also mit Ruhe, Geduld und so kleinschrittig wie dieses Individuum es braucht. Manche Pferde brauchen einen Zwischenschritt den andere nicht brauchen (das gilt für das körperliche wie für das mentale), und das ist völlig ok. Kein Zwischenschritt ist verschwendete Zeit, Zeit für Basisarbeit ist niemals verschwendet! Es kann auch sein, dass die erste Aufgabe still stehen ist, oder eben fleißgeres vorwärts gehen. Es lohnt sich in der Zusammenarbeit mit Pferden immer mit Geduld einen Schritt nach dem anderen zu gehen.

Dies alles lebt vom Lob an das Pferd. Ohne dieses positive Feedback kann das Pferd nicht erkennen was richtig und was falsch ist. Spiele Topfschlagen mit Deinem Pferd! Arbeite mit verschiedenen Intensitäten des Lobes und zeige ihm so genau was Du von ihm willst. Voraussetzung ist, dass Du eine Vorstellung davon hast was Du erreichen willst und wie Dein Endprodukt ungefähr aussehen soll. Wenn Dein Pferd (noch) nicht verstanden hat was es soll, dann überdenke Deine Art der Erklärung und was Du verändern und oder herunterbrechen kannst. Überdenke ob Dein Pferd überhaupt körperlich in der Lage dazu ist das gewünschte auszuführen. Eine entsprechende Blockade des ISG kann es z.B. schwerer machen mit dem HInterbein Last aufzunehmen oder auch die Hüfte abzusenken. Hol Dir Hilfe dazu – es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen.

Das sagen meine Pferde dazu: Mein Knabstrupper Pontus hat mir sehr viel über dieses Thema beigebracht. Er ist zwar immer sehr motiviert etwas mit mir zu machen, aber oft ganz unsicher. Von introvertiert bis absolut extrovertiert reichte das Spektrum was er mir daraufhin angeboten hat. Ich habe lange gebraucht, um ihn gut kennenzulernen. Mein Wunsch war immer ihm Selbssicherheit zu geben und Vertrauen in sich und sein Können. Wegen ihm habe ich auch den Titel diese Blogbeitrags gewählt – ich wollte es schaffen, dass er bei der Arbeit gespitze Öhrchen und einen stolzen Blick hat. Vergleicht mal die Bilder oben – oben von 2022 und darunter von 2025. Ich finde wir sind auf einem guten Weg!

Gibt es Dinge, die Dir und Deinem Pferd besonders Spaß machen? Dann baue diese ein in die Platzarbeit und mische sie unter die anspruchsvolle Arbeit, die noch schwierig ist. Wenn eine Führposition komliziert ist, dann baue sie nur ein paar Minuten pro Trainingseinheit ein und wechsle dann wieder zum Leichteren, damit ihr beide nicht genervt seid.

“Wenn es am schönsten ist, sollte man aufhören” – gilt für mich auch oft in der Pferdeausbildung. Wenn es super geklappt hat mach Schluss mit einem großen Lobefeuerwerk. Das gibt Motivation für’s nächste Mal und dann kannst Du es wahrscheinlich schon ein bisschen länger ziehen. Versuche auch nicht über die Kraft oder Konzentration Deines Pferde zu arbeiten. Das demotiviert und gibt das falsche Feedback. Versprich Deinem Pferd niemals seine Grenzen des Machbaren zu überschreiten! Und oft ist diese Grenze viel schneller erreicht als man denkt. Tastet Euch langsam ran. Erst wenn es einigermaßen sitzt, kann man in der Lektion selbst arbeiten und gymnastizieren. Wenn man konzentriert und intensiv arbeitet sind 30 min eine gute Länge, mehr selten, weniger ist auch ok.

Hast Du Lust Dein Pferd sinnvoll und gesund zu Gymnastizieren ohne dass es die Motivation verliert? Du weißt aber nicht genau wie? Ich helfe Dir dabei!

Im nächsten Jahr wird es auch ein Online Gruppencoaching geben – setzt Dich hier unverbindlich auf die Warteliste wenn Du magst.

*Der Begriff “Handlung” wird beim Tier kritisch gesehen und eher nur dem Menschen zugeschrieben. Ich habe mich in diesem kurzweiligen und viel auf praktischen Erfahrungen basierenden Artikel bewusst trotdem für diesen Begriff entschiedeb, da er vom inneren Bild her sehr passend ist, wenn wir über “Ausbildung” reden.

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